Die deutsche Wirtschaft zeigt schon seit einigen Jahren eine erstaunlich krisenfeste Verantwortungsbereitschaft, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Auch wenn das Engagement der Unternehmen in den Hochzeiten der Pandemie zurückgegangen ist, wurde schon in kürzester Zeit nach den Lockdowns wieder beinahe das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, was die Resilienz des Unternehmensengagements unterstreicht. Und das, obwohl Unternehmen in Deutschland auch im Jahr 2022 nicht aus dem Krisenmodus kommen: Inflation, gestörte Lieferketten,
Energiekrise, Fachkräftemangel, Pandemie und Krieg nähren die Angst vor einer tiefgreifenden Rezession. Genug Unsicherheiten, um die eigentlich größte Herausforderung, die Beteiligung der Wirtschaft an der sozial-ökologischen Transformation, erstmal zu vertagen. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie die im Oktober 2022 von ZiviZ im Stifterverband und der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Studie zeigt.
Die Ressourcen während der Pandemie waren begrenzt, dennoch haben die Unternehmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch während der Krise in hohem Maße Verantwortung gezeigt und sich gesellschaftlich im Ukrainekrieg oftmals klar positioniert und Konsequenzen gezogen. Der Übergang vom Shareholder Value Ansatz zum Stakeholder Value Fokus scheint in der deutschen Wirtschaft damit inzwischen nachhaltig verankert zu sein. Darauf deuten die Daten des Monitors Unternehmensengagement 2022 hin.
Über die Gründe für diese Entwicklung kann durchaus kontrovers diskutiert werden. Sei es der Generationenwandel, seien es die nunmehr erlebbaren Auswirkungen des Klimawandels oder gesellschaftliche Werteverschiebungen. Fakt ist, dass das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen nicht, wie schnell vermutet werden könnte, in erster Linie aus Marketingzwecken und zur Verbesserung der eigenen Reputation erfolgt. Vielmehr steht und fällt das Engagement der deutschen Wirtschaft mit den Anforderungen der Mitarbeitenden. Sie verlangen nach Unternehmen, die sich sozial engagieren, innerhalb der planetaren Grenzen wirtschaften und die Zukunft aktiv gestalten. Diesen Erwartungen werden Unternehmen durch unternehmerische Verantwortungsübernahme und gesellschaftliches Engagement gerecht. Im Rahmen des gesellschaftlichen Engagements unterstützen Unternehmen beispielsweise gemeinnützige Akteure und Projekte wie in der Ukraine-Krise, bringen sich damit aktiv über ihre Kerntätigkeiten hinaus in die Gesellschaft ein und drücken so ihre Werte aus. Die Entwicklung des Unternehmensengagements wird im ersten Teil der Studie in ihren Dimensionen, Formen, Themen und Zielgruppen über unterschiedliche Unternehmensgrößen hinweg dargestellt.
Gleichzeitig sind Unternehmen mit der Verantwortung für die Auswirkungen ihres eigenen Kerngeschäfts konfrontiert, sollen Emissionen reduzieren, Lieferketten sozial gerecht gestalten sowie Finanzierungen und Vermögensanlagen möglichst nachhaltig organisieren. Themen wie unternehmerische Nachhaltigkeit, Wirkungsmessung und das nichtfinanzielle Berichtswesen werden im zweiten Teil der Studie thematisiert. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist dabei, dass obwohl die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen zur Halbzeit der Agenda 2030 als Konzept in der Wirtschaft kommunikativ wenig erfolgreich sind, zahlen viele Unternehmen durch ihre Aktivitäten im Nachhaltigkeitskontext trotzdem darauf ein.
Der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben die Unternehmen bis zum Befragungszeitpunkt im Juli 2022 bezüglich ihres Engagements nicht gestoppt. Zu erwarten ist jedoch, dass es im kommenden Winter zunächst ähnlich wie in der Pandemie aufgrund von Sparzwängen zu einer erneuten Konzentration auf die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen wird. Hier wird die Resilienz der Unternehmen eine wichtige wiederkehrende Rolle spielen.
Die Relevanz von Unternehmen als gesellschaftsgestaltende Akteure wird in Anbetracht der Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zunehmen. Der Monitor Unternehmensengagement zeigt, dass sich Unternehmen mehr und mehr dieser Herausforderung bewusst werden und ins Handeln kommen. Sie möchten gemeinsam mit Politik und Zivilgesellschaft die Zukunft gestalten.
Der Monitor Unternehmensengagement ist eine repräsentative Umfrage, die seit 2018 in regelmäßigen Abständen in Zusammenarbeit von Bundesministerium des Innern, ZiviZ im Stifterverband und der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wird. In einer repräsentativen Erhebung werden kleine, mittlere und große Unternehmen in Deutschland zu einer Vielzahl von Themen im Zusammenhang mit unternehmerischem Engagement and angrenzenden Themen befragt. Dazu zählen unter anderem Themen wie Spenden, Corporate Volunteering, Zielgruppen und Themen des Engagements, nachhaltige Transformation, nichtfinanzielle Berichterstattung und die Relevanz der SDGs.
Joris-Johann Lenssen
Luisa Sophie Gerber
Olga Kononykhina
Melike Geyik