Zivilgesellschaft im Strukturwandel: Vereine und Stiftungen in der Lausitz

Nach dem Anfang der 1990er-Jahre erlebten Strukturbruch sind die Menschen in der Lausitz für gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sensibilisiert. Die Diskussion über den Ausstieg aus der Braunkohle schien lange Zeit über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg zu gehen. Umso wichtiger ist es sich vor Augen zu führen, was im Kontext des Strukturwandels schon geschehen ist bzw. erreicht wurde. So wurde die Entwicklung der Region bundesweit noch nie so aufmerksam verfolgt, wie es in den letzten zwei Jahren der Fall gewesen ist. Erste wichtige Weichenstellungen wie der Aufbau der Universitätsmedizin in Cottbus oder der Siemens Innovationscampus in Görlitz sind auf den Weg gebracht. Durch eine Vielzahl von Studien ist das Wissen über die Region gewachsen. Und nicht zuletzt ist durch zahlreiche Beteiligungsformate und Workshops ein konstruktiver Dialog
in der Region entstanden, welcher stetig neue Impulse für die Regionalentwicklung erzeugt. Mit dieser Studie wird nun auch noch einmal das wichtige Thema des zivilgesellschaftlichen Engagements adressiert und damit eine bestehende Lücke in der Transformationsforschung in der Lausitz geschlossen.

 

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

  • Die organisierte Zivilgesellschaft in der Lausitz ist geprägt von vielen, aber meist kleinen Organisationen. Mit Engagement und Leidenschaft bieten sie trotz geringer finanzieller Ressourcen und einiger Nachwuchssorgen eine lebendige Vielfalt. Sie können punktuell gut Unterstützung mobilisieren, sind aber auf die Hilfe der öffentlichen Hand und von Unternehmen angewiesen.
  • Ohne die Arbeit von Vereinen und Stiftungen gäbe es zahlreiche Angebote für Sport, Freizeit, Bildung, Selbsthilfe und auch Katastrophenschutz in der Lausitz nicht. Auch der Erhalt der Industriekultur und einer lebendigen sorbischen Kultur werden durch Engagement in gemeinnützigen Organisationen in der Region getragen.
  • Die organisatorische Strukturschwäche spiegelt die jahrelange demografische und wirtschaftliche Situation in diesem ostdeutschen, ländlichen Raum: Viele Vereine arbeiten fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis und können zusätzliche Aktivitäten kaum bewältigen. Es fehlen hauptamtliche Beschäftigte, die Anträge schreiben und Formate  weiterentwickeln können.
  • Der überregionale Wandel der Engagementformen schlägt sich auch in der Lausitz nieder. Dies zeigt sich durch Abnahme und Zuwachs an Engagierten in den Vereinen. Junge Lausitzerinnen und Lausitzer binden sich weniger an die klassischen Organisationsformen, sondern engagieren sich – oft informell – in ihren eigenen Lebensbereichen. Digitales Engagement kommt oft ohne formale Organisationen aus.
  • Der Zivilgesellschaft kommt eine wichtige Bindefunktion im Strukturwandel zu, um einerseits soziale Beziehungen und Traditionen vor Ort zu erhalten und andererseits Brücken zu neuen Unternehmen und Einrichtungen zu schlagen sowie um Neu-Lausitzerinnen und Lausitzer zu integrieren.
  • Der Strukturwandel kann einen positiven Schub für die Zivilgesellschaft bringen, weil neue Partnerschaften und Organisationen entstehen, durch die strukturwandelrelevante Projekte initiiert und umgesetzt werden. Kommunen, Landkreise und Unternehmen können mit der Förderung von Bund und Ländern auch in der Bürgerschaft Partnerinnen und Partner für gemeinsame Vorhaben finden. Zur Modellregion wird die Lausitz nur zusammen mit der Zivilgesellschaft.
  • Der anstehende Strukturwandel kann Vereine schwächen, zum Beispiel wenn die Unterstützungen großer und kleiner regionaler Unternehmen wegfallen. Die LEAG übernimmt noch heute – bspw. mit der Stiftung Lausitzer Braunkohle – eine wichtige Förderfunktion. Auch können mit steigenden Sorgen um die Zukunft Organisationen erstarken, die für Abschottung eintreten.

Johannes Staemmler, Jana Priemer, Julia Gabler:
Zivilgesellschaft im Strukturwandel: Vereine und Stiftungen in der Lausitz
Herausgegeben vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung/
Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS)

Erschienen im Juni 2020
DOI: 10.2312/iass.2020.023

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Grundlage dieser Analyse ist der ZiviZ-Survey 2017. Der ZiviZ-Survey ist die Wiederholung der bislang einzigen repräsentativen Befragung gemeinnütziger Organisationen in Deutschland, die aufzeigt, wie sich die gemeinnützige Organisationslandschaft seit 2012 entwickelt hat. Die Erhebung wurde von September 2016 bis Februar 2017 durchgeführt. Von 71.382 angeschriebenen Organisationen beteiligten sich 6.300. Davon befinden sich 106 in den sechs Landkreisen Bautzen, Görlitz, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald sowie der Stadt Cottbus.

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