Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Ende des Jahres 2017 lebten 10,6 Millionen Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Zudem wurden in demselben Jahr rund 1,2 Millionen Zuzüge verzeichnet. Die soziale Einbindung dieser Menschen ist eine der zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Die Zivilgesellschaft erbringt hierzu wesentliche integrative Leistungen.
Zugleich sind Zugewanderte Teil der Gesellschaft und somit auch der Zivilgesellschaft in Deutschland. Als Mitglieder oder Engagierte sind sie in zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen aktiv, zum Beispiel in Sportvereinen. Migranten und Migrantinnen gründen aber auch eigene Zusammenschlüsse, die seit Jahrzehnten die Engagementlandschaft prägen. Dennoch sind diese Migrantenorganisationen wenig präsent – weder in der politischen, noch in der wissenschaftlichen oder allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung.
Mit den Daten des ZiviZ-Survey 2017 soll das Engagement von Migrantenorganisationen sichtbarer werden. Dazu gibt ein Policy Paper (PDF) einen ersten Überblick über die Anzahl, räumliche Verteilung, Organisationsstruktur, Handlungsfelder und die größten Herausforderungen von Migrantenorganisationen.
In Deutschland gibt es mehr als 17.500 eingetragene Vereine mit Migrationsbezug. Das entspricht etwa drei Prozent der eingetragenen Vereine in Deutschland. Dies hat die Namensanalyse der Vereinsliste 2016 ergeben. Die meisten Migrantenorganisationen stellt dabei die türkische Diaspora. Fast 4.700 der eingetragenen Vereine in Deutschland haben einen türkischen Bezug.
Mehr Partizipation auf Bundesebene ermöglichen
Migrantenorganisationen sind Teil der Zivilgesellschaft und gestalten diese aktiv mit. Sie sollten daher auch als Teil der (Zivil-) Gesellschaft politisch anerkannt und aktiv in Entscheidungsfindungsprozesse auf Bundesebene eingebunden werden.
Selbstverständnis als Innovationspotenzial begreifen
Migrantenorganisationen sind vielfältig. Diese Vielfalt gilt es anzuerkennen und wertzuschätzen. Dazu gehört auch, ihr Selbstverständnis zu berücksichtigen und ihr Engagement gezielt zu fördern. Überhöhte Ansprüche an Migrantenorganisationen können so vermieden und tatsächliches Innovationspotenzial gefördert werden.
Zusammenarbeit mit Kommunen verbessern
Nicht alle Migrantenorganisationen bewerten die Zusammenarbeit mit Kommunen positiv. Daher sollten Maßnahmen zur interkulturellen Sensibilisierung im Alltagsgeschäft kommunaler Behörden verankert und praktisch umgesetzt werden. Sie sind grundlegend für Kooperationen mit Migrantenorganisationen auf Augenhöhe.
Mehr Ressourcen für Migrantenorganisationen
Migrantenorganisationen brauchen gleichwertigen Zugang zu finanziellen und insbesondere immateriellen Ressourcen – wie andere Organisationen der Zivilgesellschaft. Konkret gilt es, Infrastrukturen wie Räumlichkeiten für Migrantenorganisationen bereitzustellen und niedrigschwellige Zugänge zu Förderungen zu schaffen, um dem Konkurrenzdruck um Mittel zwischen Migrantenorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen vorzubeugen.
Jana Priemer, Mara Schmidt:
Flüchtlingshilfe in der organisierten Zivilgesellschaft
Zentrale Befunde aus dem ZiviZ-Survey 2017
Die Aufnahme von Menschen mit Fluchterfahrung seit 2015 wäre ohne den Einsatz der Zivilgesellschaft nicht zu bewerkstelligen gewesen. Neben dem spontanen Engagement von Einzelpersonen haben sich auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, von der Erstversorgung bis hin zur Integrationsarbeit, in die Flüchtlingshilfe eingebracht. Im wissenschaftlichen Diskurs noch vernachlässigt, fokussiert unsere Analyse explizit das Engagement von eingetragenen Vereinen, Stiftungen, gemeinnützigen GmbHs und Genossenschaften für Geflüchtete. Ziel ist es, ein quantitatives Bild der in der Flüchtlingshilfe aktiven Organisationen zu zeichnen und somit die Reihe der vor allem in den vergangenen Jahren entstandenen Forschungsarbeiten zum Engagement für Geflüchtete zu ergänzen.
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